Junge Migrantinnen, die aufgrund unterschiedlicher Lebensvorstellungen mit ihrer Familie in Konflikt geraten sind,
- die von Zwangsheirat bedroht oder betroffen sind
- denen Gewalt im Namen der Ehre droht
- die befürchten, in ihr Herkunftsland (Land der Eltern) geschickt zu werden
- und die wegen körperlicher sowie seelischer Bedrohung an der Entwicklung eigener Bedürfnisse und Interessen gehindert werden und deshalb eine neue Wohn- und Lebensmöglichkeit suchen
Der Unterstützungsbedarf dieser oft sehr jungen Frauen ist meist enorm hoch und besonders. Die Mädchen lebten teilweise in großer Isolation und sind kaum zu Selbstständigkeit erzogen worden. Zudem müssen sie mit dem Weggang aus ihrer Familie sämtliche familiären und sozialen Bindungen/Kontakte aufgeben und benötigen deshalb eine besondere psychosoziale Zuwendung, die oft einem Familienersatz nahekommt. Dabei sind oftmals unterschiedliche kulturell geprägte Wertvorstellungen und die entsprechenden Selbstidentifikationen zwischen Beraterin und Betroffener ein Hemmnis für eine gelungene Kommunikation. Die Vorstellung der Migrantin von einer erfolgreichen Krisenbewältigung kann sich deutlich von den Vorstellungen der Beraterin unterscheiden.
Die Mitarbeiterinnen führen, wenn möglich, in circa einwöchigem Abstand zwei Aufnahmegespräche. Bei diesen Gesprächen wird folgendes geklärt:
- Möglichst ausführliche Informationen über die Geschichte/Biografie, Gewalterfahrungen im bisherigen Leben der jungen Frau sammeln und auswerten. Im Idealfall vor, spätestens aber mit der Aufnahme, sowohl die Stärken und Ressourcen als auch die möglichen Risiken zu scheitern ansprechen
- Möglichkeit der Unterstützung durch das Jugendamt (Aufnahme in Betreutes Wohnen oder Einrichtung für Migrantinnen möglich) siehe auch „Zwangsverheiratung bekämpfen – Handreichung für die Kinder- und Jugendhilfe“ über § 42 „Inobhutnahme“, §41 „Hilfe für junge Volljährige“ und § 35a „Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung“
- Mitwirkungs- und Kooperationsbereitschaft als Voraussetzung für eine Aufnahme, Informationen über das Zusammenleben im Frauen- und Kinderschutzhaus, die Anonymität des Hauses und deren Bedeutung für das Leben in Hausgemeinschaft
Achtung: Einverständnis einholen für die Vorgabe von klaren Regeln, strukturiertem Tagesablauf
- Entwickeln einer individuellen Lösung der familiären Probleme und einer Lebensperspektive, Festhalten der Ziele für die Zeit des Aufenthaltes im Frauen- und Kinderschutzhaus (siehe individueller Vertrag)
Achtung: Elterngespräch nicht ausschließen!!
Wir bieten eine sozialpädagogisch betreute Lebens- und Wohnmöglichkeit auf Zeit. Es wird ein sicherer Rahmen für die Mädchen geschaffen, in dem sie zur Ruhe kommen können.
Vorrangiges Ziel ist, den Bewohnerinnen Orientierungshilfen anzubieten, die sie befähigen, ihren Alltag mit allen damit verbundenen Anforderungen und Problemen selbstständig zu bewältigen. Sie sollen Unterstützung beim Entwickeln und Erproben neuer Lebensentwürfe erfahren und in dem Prozess, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten, gefördert werden.
Bedingt durch die Trennung von geliebten Familienmitgliedern und dem alten sozialen Umfeld reagieren junge Migrantinnen oft mit großen Orientierungsschwierigkeiten und Einsamkeitsgefühlen. Neben der sozialpädagogischen Begleitung bietet ihnen die Wohngemeinschaft einen schützenden Rahmen, der helfen kann, neues Selbstvertrauen zu entwickeln.
Der Aufenthalt im Frauen- und Kinderschutzhaus soll den jungen Migrantinnen helfen, Selbstständigkeit zu erlangen. Die jungen Frauen erhalten Unterstützung für das, was sie selbst erreichen möchten.
Dazu gehören:
- Hilfe bei der Regelung der wirtschaftlichen und rechtlichen Belange
- Klärung ausländerrechtlicher Angelegenheiten
- Motivierung, einer Ausbildung nachzugehen, Unterstützung bei der Ausbildungsplatzsuche
- Praktische Bewältigung der täglichen Aufgaben wie Organisation des Haushalts, Umgang mit Geld usw.
- Förderung der Eigeninitiative durch weitgehende Selbstorganisation des Wohnens im Frauen- und Kinderschutzhaus
- Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur und Religion sowie der Kultur in Deutschland. Widersprüchliche Situationen, die das Leben in unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen und Wertesystemen mit sich bringen, erkennen und einen eigenen Standpunkt entwickeln
- Aktive Gestaltung der Gemeinschaft (gemeinsame Absprachen treffen, Verbindlichkeiten einhalten, Planungen vornehmen, Hausordnung einhalten)
In der wöchentlich stattfindenden Hausbesprechung und in einem fest terminierten wöchentlichen Einzelgespräch werden diese Themen besprochen und Entwicklungen reflektiert.